Shaun Parker - King, Foto: Prudence UptonShaun Parker - King, Foto: Prudence Upton

Inszenierung einer zerstörerischen Männlichkeit

Veröffentlicht am 28.06.2023

  • Interview

Die Vita des Australiers Shaun Parker, der erstmalig mit seinem neuesten Werk King in Italien und Europa zu Gast ist, kann sich sehen lassen: Tänzer, Schauspieler, Countertenor, der nach einem wissenschaftlichen Abschluss den Weg in Richtung Choreografie einschlug. Seit 2010 ist er Leiter der nach ihm benannten und in Sydney gegründeten Kompanie, die am Seymour Centre für Schauspielkunst beheimatet ist.

Interview mit Shaun Parker – King

In Ihrem Stück King, das Tanz Bozen eröffnet, interagiert eine Gruppe männlicher Tänzer live mit dem bulgarischen Star Ivo Dimchev, einem queeren Singer-Songwriter, bildenden Künstler und so kultigen wie provokanten Figur der aktuellen Performance-Szene. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Ursprünglich wollte ich seine Rolle übernehmen, aber ich war so beschäftigt damit, die anderen neun Tänzer anzuleiten, dass ich es für besser hielt, mich aus dem Cast zurückzuziehen und die Dinge von außen zu betrachten. Eines Tages, als ich Facebook öffnete, bin ich zufällig auf ihn gestoßen. Mir war sofort klar: Er ist es! Er ist Countertenor, Liedermacher. Er kam dann nach Australien, um mit uns zu arbeiten. Er hat wundervolle Songs über die Liebe zwischen Männern geschrieben.

Wovon handelt das Stück?

King erforscht und beleuchtet die Männlichkeit als soziales Paradigma, die Unterdrückung des Weiblichen, der Kreativität und der Zärtlichkeit durch das Männliche. Erwachsenwerden ist für einen jungen Mann angesichts der übertriebenen Forderung, sich einer bestimmten Vorstellung von Männlichkeit zu unterwerfen, alles andere als leicht. Aus diesem Grund wollte Ivo Lieder schreiben, die einen Gegenpol zu dieser Gewalt darstellen.

Welche Bewegungstechniken verwenden Sie für Ihre Tänzer?

Jedes Stück ist hinsichtlich seiner Thematik und seines Vokabular anders, auch wenn es eine grundsätzliche Tendenz gibt. Generell pflegen wir eine akrobatische Grundausbildung, die das Festivalpublikum beispielhaft in der Open-AirVorstellung von Trolleys sehen wird, zudem Hip Hop, Locking, Popping und Krumping, aber auch zeitgenössischen Tanz, Ballett, Yoga, einen Mix, um eine spektakuläre Sprache zu erschaffen, die uns jedoch weniger wegen ihrer Virtuosität selbst, sondern vielmehr als Antwort auf eine Idee interessiert. Für King haben wir gemeinsam mit den Tänzern wissenschaftlich zum X- und Y-Chromosom recherchiert und daraus eine Reihe von Bewegungen abgeleitet, um sie in Tanz zu übertragen.

Setzt die tabulose Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen in Ihren Arbeiten mehr Kreativität bei den Tänzer frei?

In unserer Kompagnie gibt es Homosexuelle, Heterosexuelle, Bisexuelle, Pansexuelle: Jeder und jede bringt sich selbst auf die Art ein, wie er oder sie sich bewegt, wie er oder sie natürlich auf Reize reagiert. Die Tänzerinnen und Tänzer haben unterschiedliche Körper, auch wegen ihres genetischen Erbes, manche stammen von den Philippinen, andere aus Ecuador, einige sind Maori. Australien ist ein unglaublich multikulturelles Land. Wir arbeiten viel an der Inklusion. Wenn ich meine Tänzer auf der Bühne betrachte, sehe ich echte Menschen.